Auswirkungen der Corona-Krise 5 – Arbeitsmarktlage

1 Übersicht der aktuellen Arbeitsmarktlage

Die Warnungen, die in den vergangenen Monaten von den verschiedensten Seiten her zur Arbeitsmarktlage ausgesprochen worden waren, schlagen sich in den Statistiken der Bundesagentur für Arbeit nieder.

Im April war ein Corona-bedingter starker Anstieg der Arbeitslosenzahlen verzeichnet worden. Von März auf April stieg die Zahl um 308.000 auf 2.644.000. Im Vergleich zum Vorjahr war das ein Anstieg um 415.000 Personen. Die Arbeitslosenquote stieg damit um 0,7 Prozentpunkte auf 5,8 Prozent.

 

Anfang Juni sprach der Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur für Arbeit Detlef Scheele davon, dass der Arbeitsmarkt durch die Corona-Krise weiterhin unter Druck sei:  „Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung sind auch im Mai gestiegen, allerdings nicht mehr so stark wie im April. […] Die Kurzarbeit hat das Niveau der Krise von 2009 deutlich überschritten. Die Nachfrage der Betriebe nach neuen Mitarbeitern ist weiterhin rückläufig […].“

Konkret bedeutet dies, dass die Arbeitslosenzahl im Mai um 169.000 Personen auf 2.813.000 Personen gestiegen ist, was einem Zuwachs im Verhältnis zum Vorjahr von 577.000 Personen bedeutet. Prozentual betrachtet stieg die Quote im Mai auf 6,1 Prozent an.1 Das ist ein Anstieg zum Mai 2019 von 1,2%.

364.000 mehr Personen als im Vorjahr, insgesamt 1.058.000 Personen bezogen Arbeitslosengeld und 4.027.000 Personen, also 75.000 Personen mehr als im Mai 2019 erhielten Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II). Das bedeutet, dass im Mai 2020 7,4 Prozent der in Deutschland lebenden Personen im erwerbsfähigen Alter hilfebedürftig waren.

Bei der Berechnung der Kurzarbeiterzahlen muss beachtet werden, dass Betriebe vor Aufnahme der Kurzarbeit den voraussichtlichen Arbeitszeitausfall anzeigen müssen, was im Mai für 1,06 Millionen Personen getan wurde. Für März und April wurde zusammengenommen für 10,66 Millionen Personen angezeigt, was jedoch nicht zwingend die tatsächliche Zahl von Inanspruchnahmen widerspiegelt.

Im März wurde für 2,02 Millionen Personen tatsächlich Kurzarbeitergeld ausgezahlt. Für April und Mai stehen die Hochrechnungen noch aus, doch die Inanspruchnahme von Kurzarbeit im März lag damit bereits weit über den Zahlen zur Zeit der Großen Rezession 2008/2009.

Die Arbeitskraftnachfrage ging dem Bericht der Bundesagentur für Arbeit zufolge im Vergleich zum Vorjahr um 208.000 auf 584.000 Arbeitsstellen zurück. Der BA-Stellenindex (BA X), ein Indikator für die Personalnachfrage in Deutschland, sei im Mai von 94 auf 91 Punkte gesunken und liege damit 38 Punkte niedriger als im Vorjahr.

Auch auf dem Ausbildungsmarkt zeigten sich diese Tendenzen. Im Verhältnis zum Vorjahr wurden 39.000 weniger BewerberInnen auf Ausbildungsstellen, sowie 46.000 weniger Ausbildungsstellen gemeldet. Besonders zurückgegangen seien Ausbildungsstellen in Gastronomie- und Hotellerieberufen, im Friseurhandwerk, in Maschinenbau- und Betriebstechnik, in der Elektrotechnik, in kaufmännischen Berufen, in Informatikberufen, im Lebensmittelverkauf und im Berufskraftverkehr.3

2 Faktoren für den Anstieg der Arbeitslosigkeit

Die Bundesagentur für Arbeit stellte in ihren Analysen fest, dass die Zunahme der Arbeitslosenzahlen nicht ausschließlich auf Corona-bedingte Entlassungen zurückzuführen seien, sondern auch darauf, dass weniger Neueinstellungen verzeichnet wurden und es somit schwerer sei, aus der Arbeitslosigkeit wieder herauszufinden. Zudem umfasse die Gesamtzahl auch jene, die zwar nicht entlassen wurden, jedoch als selbstständig Tätige aufgrund weggefallener Aufträge ihrer Arbeit nicht mehr nachgehen konnten.5

Als mildernder Faktor kann den Analysen zufolge durchaus die Kurzarbeitsmaßnahme genannt werden. Während der Finanzkrise im Jahre 2009  hatte es über 1,4 Millionen Kurzarbeiter gegeben und unterschiedliche Studien wiesen in der Folge darauf hin, dass der Anstieg der Arbeitslosenzahlen damals wesentlich durch Kurzarbeit abgemildert werden konnte. Daran, dass bisher die Kurzarbeit-Antragszahlen deutlich höher sind, als während der Finanzkrise, zeigt sich, dass ein starkes Interesse herrscht, Entlassungen zu vermeiden.6

Die Experten warnen jedoch, dass im Falle von Insolvenzen die Maßnahme der Kurzarbeit den Anstieg von Arbeitslosigkeit nicht verhindern könne. Sollte der wirtschaftliche Schock darüber hinaus nicht nur temporär sein, sondern sich zu einer systemischen Krise auswachsen, könne Kurzarbeit Arbeitsplätze ebenfalls nicht nachhaltig sichern.7

3 Prognosen

Das Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB) berät als besondere Dienststelle der  Bundesagentur für Arbeit politische Akteure und erstellt unter anderem Prognosen für den weiteren Verlauf des Arbeitsmarktes auf Basis der Forschungsergebnisse. Für die kommenden Monate schätzt das Institut, dass die Arbeitslosenzahl kurzfristig stark auf mehr als 3 Millionen Personen ansteigen, jedoch im weiteren Verlauf des Jahres in Teilen wieder zurückgehen könnte.

Im Vergleich zum Vorjahr könnte im Jahresdurchschnitt die Arbeitslosigkeit um bis zu 520.000 Personen zunehmen, was einem Anstieg um etwa 23 Prozent entspräche. Selbst zur Zeit der Wirtschafts- und Finanzkrise wurde der Zuwachs im August 2009 im Vergleich zum Vorjahresmonat mit nur etwa 9 Prozent bemessen. Die Abbildung zeigt den zu erwartenden Verlauf der Arbeitslosenzahl im Durchschnitt der Monate Mai, Juni und Juli 2020 verglichen mit dem entsprechenden Vorjahreszeitraum. Diese Ergebnisse berücksichtigten neben den Effekten der Corona-Krise auf den Arbeitsmarkt auch weitere konjunkturelle Einflüsse, sowie langfristige strukturelle Entwicklungen wie den demografischen Wandel. Außerdem werden darin auch regionale Unterschiede veranschaulicht:

In den südlichen Bundesländern Baden-Württemberg, Bayern, Hessen und Rheinland-Pfalz sowie in Hamburg könnten die Arbeitslosenzahlen besonders stark ansteigen, um 39 Prozent oder mehr. In allen weiteren westdeutschen Bundesländern, ausgenommen Bremen, sowie Berlin und Thüringen werde ein Zuwachs zwischen 30 und 39 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum erwartet. Für Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Bremen könnte der zu erwartende Zuwachs der Arbeitslosigkeit mit unter 30 Prozent geringer ausfallen. Im Vergleich zeigte sich, dass der höchste Anstieg der Arbeitslosigkeit zur Zeit der Wirtschafts- und Finanzkrise im August 2009 im Vergleich zum Vorjahresmonat in Baden-Württemberg mit 34 Prozent festgestellt wurde.8

In einem Interview Anfang Juni erklärte Scheele, dass die Corona-Krise auch in der Bundesagentur für Arbeit zu Veränderungen geführt habe. Kurzarbeitsanzeigen- und -anträge bearbeiteten derzeit etwa 11.600 Personen, während es normalerweise nur 700 Personen wären. „Wir müssen gut erreichbar sein, deshalb haben wir inzwischen 18.000 Kollegen in der Telefonie, normalerweise sind es 4.000. Dafür mussten wir parallel unsere IT-Kapazitäten massiv ausbauen: Die Telefonie, die Server, die Möglichkeiten für Homeoffice-Arbeitsplätze.“ Viele dieser Mitarbeiter übernähmen daher auch Aufgaben, für die sie nicht ausgebildet seien und sich entsprechend eingearbeitet hätten.

Finanziell könne die Krise die Bundesagentur jedoch an ihre Grenzen bringen: „Bei 7,5 Millionen Kurzarbeitenden in der Spitze und 2,2 Millionen im Jahresschnitt hätten wir am Jahresende einen Darlehens- oder Zuschussbedarf gegenüber dem Bund von 4,6 Milliarden Euro. Genau wissen wir das erst, wenn klar ist, wie viele Menschen tatsächlich kurzgearbeitet haben, wie hoch der Arbeitszeitausfall war und wie lange die Kurzarbeit gedauert hat. Das wissen wir erst mit einigen Monaten Verzögerung.“

Scheeles abschließende Prognose lautete jedoch, dass die Spitze der Kurzarbeitsanträge bereits erreicht und insgesamt keine Massenarbeitslosigkeit zu befürchten sei, da keine strukturell fehlentwickelte wirtschaftliche Situation zugrunde liegt, sondern eine Pandemie, die hoffentlich spätestens mit einem Impfstoff bewältigt werden kann, so dass der Arbeitsmarkt sich mittelfristig wieder erholen könnte.9

Quellen

1 Bundesagentur für Arbeit; Entwicklung des Arbeitsmarkts 2020 in Deutschland (zuletzt geprüft am 26.06.2020)
2  Statistisches Bundesamt; Entwicklung der Erwerbstätigenzahlen  (zuletzt geprüft am 26.06.2020)
3 Bundesagentur für Arbeit; Der Arbeitsmarkt im Mai 2020 (zuletzt geprüft am 26.06.2020)
4 Bundesagentur für Arbeit; Monatliche Zeitreihen zum Arbeitsmarkt in Deutschland   (zuletzt geprüft am 26.06.2020)
5 Frankfurter Allgemeine Zeitung; Warum die Arbeitslosigkeit steigt  (zuletzt geprüft am 26.06.2020)
6 Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB); Kurzarbeit, Entlassungen, Neueinstellungen: Wie sich die Corona-Krise von der Finanzkrise 2009 unterscheidet   (zuletzt geprüft am 26.06.2020)
7 Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB); Kurzarbeit in Europa: Die Rettung in der Corona-Krise? Ein Interview mit IAB-Forscherin Regina Konle-Seidl   (zuletzt geprüft am 26.06.2020)
8 Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB); Regionale Arbeitsmarktvorausschau (Stand: Mai 2020)  (zuletzt geprüft am 26.06.2020)
9 ZDF; BA-Chef Scheele - Finanzielles Defizit und personelles Umdenken  (zuletzt geprüft am 26.06.2020)

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